7. Verlag und Gesangsorchester

7. Verlag und Gesangsorchester

Peter Janssens ist ein ganzheitlicher Mensch. Ein pater familias, wer immer die Familie ist. Daraus folgt, dass er selbst sein Gewerbe, welches immer das ist, im Griff zu haben wünscht.

Früh gründete er den eigenen Verlag. 1968 in Münster. Dem gliedert er im Jägerhaus 1972 ein Studio ein. Wilgard Janssens leitet den Verlag, das heißt zunächst, dass sie alle seine Noten und Stücke in die Form bringt, in der sie angeboten werden können. Das heißt dann aber auch, dass sie für die Rechte, die Verträge, den Verkauf, die Werbung, die Terminpläne geradesteht, den PJMV(19) auf den Markt bringt und da bis auf den Tag behauptet. Im Blick auf das, was ich vom Jägerhaus als Privatakademie sui generis gerade beschrieben habe, erwartet Piet nicht wenig; er kann sicher sein, dass keine Note verloren geht.

Das ganze Haus klingt, wenn Janssens Aufnahmen vorbereitet. Oft genug bis früh in den anderen Tag. Spielen und abhören, proben, verbessern, anders besetzen, für Teile in einen Saal mit natürlichem Hall umziehen, aufbauen, einrichten, umbauen, einsingen, noch einmal das Ganze und dann: Achtung: Aufnahme! Er selbst hört die master tapes wieder und wieder ab. Der Sohn Oliver hilft, wo er kann, und wird im Lauf der Jahre zum profunden Tontechniker, der inzwischen auch das Tonarchiv sichert und auf CDs umspielt.

Priska erzählt aus dem Theater: Piet richtet eine zeitnahe Bearbeitung vom Rumpelstilzchen ein, das war in Kiel. Sein alter Freund Heinz Weihe, Tonmeister am Theater in Wiesbaden, ist mit von der Partie. Es zeigt sich bald: das wird eine lange Nacht. Piet ist bester Laune, mimt für die Beleuchter die heimgegangenen Schauspieler, schreitet auf der Bühne Gänge ab, singt die Songs aller vorkommenden Stimmen durch … und ist verschwunden. Allgemeine Verunsicherung. Was ist, wo ist er denn hin? Da schaukelt plötzlich leise die überdimensionale Wiege auf der Bühne – und sie hören alsbald ein gewaltiges Schnarchen. Seine Füße hängen heraus, und hinter der Wiege stehen akurat plaziert seine Schuhe mit den Socken drin. – Sein Bett musste nahe am Geschehen stehen; auch im Schlaf ist er dabei.

Wir hören manchmal, dass man im PJMV bessere Aufnahmen hätte machen können. Und kennen die auf höchstem Level gefertigten Produktionen etlicher Mitanbieter. Janssens sagt dazu immer wieder: Wenn es so einfach wie möglich gehalten bleibt, dann wird das akustische Beispiel, das ich vorlege, diejenigen ermutigen, die sich auch trauen möchten, eigene Musik aufzunehmen und anzubieten. Ein mäeutisches Prinzip, das er konsequent durchgehalten hat. Die Notierungen seiner Kompositionen weisen aus, was er kann. Ich habe so manchen A-Musiker im kirchlichen Bereich scheitern sehen und hören, dem ich seine Noten mit der Bitte gab, sie mal einzuspielen.

Im Jahr 1976 gründet sich das Gesangsorchester (GO) als GBR. Sängerinnen und Sänger, die mehrheitlich zugleich Instrumentalisten sind, bilden ein eigenverantwortliches, ständiges Ensemble für die inzwischen häufigen Auftritte und Aufführungen im deutschsprachigen Raum. Dem ersten GO gehören an: Ed Gröning, Gundi Jöcker, Marianne Schulte (voc), Gerd Geerken, Martin Gorenz (voc + git) Rolf Eggemann, Frank Fockele (voc + dr + perc), Peter Janssens (voc + tasten), Detlev Jöcker (voc + b), Matthias Müller (Ton).

Das Gesangsorchester ist für meine Begriffe ein einmaliges Unternehmen. Junge Frauen und Männer gehen auf Reisen und bringen Janssens‘ Musik und Werke vor Ort. 1992 – um ein Beispiel herauszugreifen – waren es 114 Termine für Aufführungen in Deutschland, rauf und runter. Sie singen und sie steigen – in den Musikspielen – in Rollen ein, werden zu musizierenden Schaupielern.

Hier fruchtet Janssens‘ Arbeit am Theater. Hier fruchtet gleichermaßen, dass ein Meister in allem, was getan werden muss, selbst Bescheid weiß, jeden, aber auch jeden Handgriff aus gemachter eigener Erfahrung kennt. Rollen kann nur der unter Menschen vergeben, der die Rollen selbst in- und auswendig kennt. Und wieder das Grundprinzip: Sein GO muss ganz nahe an den Menschen spielen. Wie sollte man sonst den Mut wecken z.B. bei Menschen, die von sich meinen: ich kann nicht singen? Wir haben viele erlebt, deren verschüttete oder schlummernde Begabungen aufwachten, die sich auf Bühnen trauen, mitspielen, Rollen stehen, den eigenen Mund aufmachen, weil sie sich nicht zu fürchten brauchen, und kleines bis ganz großes Publikum, dem sich die Zunge löst zum ergriffenen, darum schönen Gesang, der nicht aufhören wollte, auf den Straßen, in Straßen- und U-Bahnen, zu Hause.

Janssens ist ein Zauberer, der verzaubern kann – die Kleinen wie die Großen. Und sein GO ist sein vorzüglich eingestimmter Resonanzboden, seine stimmige wie instrumentale Zuneigung zu jeder Versammlung, die durch seine künstlerische Leidenschaft zur Gemeinschaft auf Zeit sich wandelt. Wir sind ein Herz und eine Seele, wir „alle, alle. Alleluja.“(20)

Im Laufe vieler Jahre steigen Mitglieder des GO aus oder um oder machen sich selbstständig. Dorothee Marx, Daniel Basanta, Conny Neuland, Stephan Kiepe-Fahrenholz – zum Beispiel – sind in späteren Jahren nachkommende Mitglieder, deren Stimmen, deren Rhythmus, deren Farbigkeit, deren Unermüdlichkeit ich hier gerne erinnere.

Als er sich „verduftet hatte“(21), der Piet, dessen Kräfte ausgingen, der sich für seine Musik wie für seine Vision wie für eine unglaublich große menschliche Gemeinschaft über dreißig Jahre drangegeben hat, als er sich verduftete, hatte sein GO ohne ihn noch sechs oder sieben Auftritte. Dann hat es sich aufgelöst, weil, ohne ihn fehlte dem GO die treibende Unruhe.

Ich habe ihn im Verlauf des Jahres 1998 unendlich müde erlebt und er träumte doch, wie er mit seinem GO beim ökumenischen Kirchentag in Berlin 2003 einen Auftritt machen würde. Weißt du, Barth, wir haben das doch früh schon begriffen. – Damals beim Ökumenischen Pfingsttreffen in Augsburg, 1971 war das. Menschen können miteinander wandeln. „Der Himmel geht über allen auf, auf alle über, über allen auf.“(22)

8. Das Lebenswerk